R744 (CO2) Kohlendioxyd als Alternativ-Kältemittel
Kohlendioxyd R744 (CO2) als Alternativ-Kältemittel und Sekundär-Fluid
CO2 hat eine lange Tradition in der Kältetechnik, die bis weit ins vorletzte Jahrhundert reicht. Es hat kein Ozonabbaupotenzial, einen vernachlässigbaren direkten Treibhauseffekt (GWP = 1), ist chemisch inaktiv, nicht brennbar und im klassischen Sinne nicht toxisch. CO2 unterliegt deshalb auch nicht den stringenten Anforderungen hinsichtlich Anlagendichtheit wie z.B. HFKWs (F-Gase Verordnung) und brennbare oder toxische Kältemittel. Zu berücksichtigen ist jedoch der im Vergleich zu HFKWs geringere Grenzwert in Luft. In geschlossenen Räumen können entsprechende Sicherheits- und Überwachungseinrichtungen erforderlich werden.
CO2 ist auch kostengünstig und es gibt keine Notwendigkeit zur Rückgewinnung und Entsorgung. Hinzu kommt eine sehr hohe volumetrische Kälteleistung, die je nach Betriebsbedingungen etwa dem 5- bis 8- fachen von R22 und NH3 entspricht.
Vor allem die sicherheitsrelevanten Eigenschaften waren ein wesentlicher Grund für den anfangs weit verbreiteten Einsatz. Schwerpunkt in der Anwendung waren z.B. Schiffs-Kälteanlagen. Mit Einführung der "(H)FCKW-Sicherheitskältemittel" wurde CO2 zurückgedrängt und war seit den 1950er- Jahren nahezu vom Markt verschwunden. Wesentliche Ursachen sind die für übliche Anwendungen in der Kälte- und Klimatechnik relativ ungünstigen thermodynamischen Eigenschaften.
Die Drucklage von CO2 ist extrem hoch und die kritische Temperatur mit 31°C (74 bar) sehr niedrig. Je nach Wärmeträgertemperatur auf der Hochdruckseite erfordert dies eine transkritische Betriebsweise mit Drücken bis weit über 100 bar. Unter diesen Bedingungen ist die Wirtschaftlichkeit gegenüber einem klassischen Kaltdampfprozess (mit Verflüssigung) meist geringer und damit der indirekte Treibhauseffekt entsprechend höher.
Dennoch gibt es eine Reihe von Anwendungen, bei denen CO2 sehr wirtschaftlich und mit günstiger Öko-Effizienz eingesetzt werden kann. Dazu gehören z.B. subkritisch betriebene Kaskadenanlagen, aber auch transkritische Systeme, bei denen der Temperaturgleit auf der Hochdruckseite vorteilhaft nutzbar ist oder die Systembedingungen über lange Betriebsperioden einen subkritischen Betrieb erlauben. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass die Wärmeübergangswerte von CO2 wesentlich höher sind als bei anderen Kältemitteln mit dem Potential sehr geringer Temperaturdifferenzen in Verdampfern, Verflüssigern und Gaskühlern. Außerdem sind die erforderlichen Rohrleitungsquerschnitte sehr klein und der Einfluss des Druckabfalls vergleichsweise gering. Bei Einsatz als Sekundärfluid ist zudem der Energiebedarf für Umwälzpumpen äußerst niedrig.
In den folgenden Ausführungen werden zunächst einige Beispiele für subkritische Systeme und die resultierenden Auslegungskriterien behandelt. In einem zusätzlichen Abschnitt folgen noch Erläuterungen zu transkritischen Anwendungen.
Abb. 29/1 R744(CO2) – Druck-/Enthalpie-Diagramm
Abb. 29/2 R744(CO2)/R22 – Vergleich der Drucklagen
Subkritische Anwendung
Eine auch aus energetischer Sicht und hinsichtlich Drucklagen sehr vorteilhafte Anwendung bietet sich für industrielle und größere gewerbliche Kälteanlagen an. Hierfür kann CO2 als Sekundärfluid in einem Kaskadensystem verwendet werden – bei Bedarf in Kombination mit einer weiteren Verdichtungsstufe für tiefere Verdampfungstemperaturen (Abb. 30/1).
Die Betriebsweise ist jeweils subkritisch und damit auch eine gute Wirtschaftlichkeit gewährleistet. Im dafür günstigen Anwendungsbereich (ca. -10 bis -50°C) sind auch die Drucklagen noch auf einem Niveau, für das bereits verfügbare oder in Entwicklung befindliche Komponenten (z.B. für R410A) mit vertretbarem Aufwand angepasst werden können.
Resultierende Auslegungs- und Ausführungskriterien
Für die Hochtemperaturstufe einer solchen Kaskade lässt sich ein kompakter Kühlsatz verwenden, dessen Verdampfer auf der Sekundärseite als Verflüssiger für CO2 dient. Als Kältemittel eignen sich chlorfreie Stoffe (NH3, KW oder auch HFKW, HFO und HFO/ HFKW-Gemische).
Bei NH3 sollte der Kaskadenkühler so ausgeführt werden, dass die gefürchtete Bildung von Hirschhornsalz im Falle der Leckage verhindert wird. In Brauereien wird diese Technik seit langem eingesetzt.
In Großkälteanlagen entspricht der Sekundärkreis für CO2 in seinem prinzipiellen Aufbau weitgehend einem Niederdruck-Pumpensystem, wie es häufig bei NH3-Systemen ausgeführt wird. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Verflüssigung des CO2 im Kaskadenkühler erfolgt und der Sammelbehälter (Abscheider) nur als Vorratsbehälter dient. Die äußerst hohe volumetrische Kälteleistung von CO2 (latente Wärme durch Phasenwechsel) führt dabei zu einem sehr geringen Massenstrom und ermöglicht kleine Rohrquerschnitte und minimalen Energiebedarf für die Umwälzpumpen. Bei der Kombination mit einer weiteren Verdichtungsstufe (z.B. für Tiefkühlung) gibt es verschiedene Lösungen.
Abb. 30/1 zeigt eine Variante mit zusätzlichem Sammler, der von einem oder mehreren Booster-Verdichtern auf den erforderlichen Verdampfungsdruck abgesaugt wird. Das Druckgas wird ebenfalls in den Kaskadenkühler eingespeist, verflüssigt und in den nachgeschalteten Sammler abgeleitet. Von dort aus erfolgt die Einspeisung in den Niederdruckabscheider (TK) über eine Schwimmereinrichtung. An Stelle klassischer Pumpenzirkulation kann die Booster-Stufe auch als sog. LPR- System (Low Pressure Receiver) ausgeführt sein. Dadurch erübrigen sich Umwälzpumpen, wobei aber die Anzahl der Verdampfer mit Rücksicht auf eine gleichmäßige Einspritzverteilung des CO2 stärker eingeschränkt ist.
Für den Fall eines längeren Anlagenausfalls mit starkem Druckanstieg kann das CO2 über Sicherheitsventile an die Atmosphäre abgelassen werden. Alternativ hierzu werden auch zusätzliche Kühlsätze zur CO2 Verflüssigung verwendet, mit denen längere Abschaltperioden ohne kritische Druckerhöhung überbrückt werden können. Für Systeme in gewerblichen Anwendungen ist auch eine Ausführung mit Direkt-Expansion möglich.
Hierfür bieten Supermarktanlagen mit ihrem üblicherweise weit verzweigten Rohrnetz und Schockfroster ein besonders gutes Potenzial. Das Normalkühlsystem wird dann konventionell oder mittels Sekundärkreislauf ausgeführt und für die Tiefkühlung mit einem CO2-Kaskadensystem (für subkritische Betriebsweise) kombiniert. Ein Systembeispiel ist in Abb. 30/2 dargestellt.
Für eine allgemeine Anwendung sind allerdings derzeit noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt. Es gilt zu berücksichtigen, dass eine in vielfacher Hinsicht veränderte Anlagentechnik und auch speziell abgestimmte Komponenten erforderlich werden.
Abb. 30/1 Kaskadensystem mit CO2 für industrielle Anwendung
Abb. 30/2 Konventionelle Kälteanlage kombiniert mit CO2-Tiefkühlkaskade
Auch die Schmierstoffe sind sehr hohen Anforderungen ausgesetzt. Konventionelle Öle sind meist nicht mischbar und erfordern deshalb aufwändige Maßnahmen für die Rückführung aus dem System. Andererseits ist beim Einsatz mischbarer bzw. gut löslicher POE eine starke Viskositätsminderung zu berücksichtigen. Für subkritische CO2 Anwendungen bietet BITZER zwei Baureihen spezieller Verdichter an.
Transkritische Anwendung
Der transkritische Prozess ist u.a. dadurch charakterisiert, dass die Wärmeabfuhr auf der Hochdruckseite isobar, aber nicht isotherm verläuft. Im Gegensatz zum Verflüssigungsvorgang bei subkritischem Betrieb erfolgt hierbei eine Gaskühlung (Enthitzung) mit entsprechendem Temperaturgleit. Der Wärmeübertrager wird deshalb als Gaskühler bezeichnet. Solange der Betrieb oberhalb des kritischen Drucks (74 bar) erfolgt, wird nur Dampf hoher Dichte gefördert. Eine Verflüssigung stellt sich erst nach Expansion auf ein niedrigeres Druckniveau ein z.B. durch Zwischenentspannung in einen Mitteldrucksammler. Je nach Temperaturverlauf der Wärmesenke kann ein für transkritischen Betrieb ausgelegtes System auch subkritisch und unter diesen Bedingungen mit verbessertem Wirkungsgrad betrieben werden. In diesem Fall wird der Gaskühler zum Verflüssiger.
Eine weitere Besonderheit des transkritischen Betriebs ist die notwendige Regelung des Hochdrucks auf ein definiertes Niveau. Dieser "optimale Druck" wird in Abhängigkeit von der Austrittstemperatur des Gaskühlers durch Bilanzierung zwischen größt möglicher Enthalpiedifferenz bei gleichzeitig minimaler Verdichtungsarbeit ermittelt. Er muss durch eine intelligente Steuerung modulierend an die jeweiligen Betriebsbedingungen angepasst werden (siehe Systembeispiel, Abb. 31).
Wie eingangs beschrieben, erscheint die transkritische Betriebsweise bei rein thermodynamischer Betrachtung hinsichtlich Energie-Effizienz eher ungünstig. Dies trifft auch tatsächlich auf Systeme mit einem relativ hohen Temperaturniveau der Wärmesenke auf der Hochdruckseite zu. Allerdings können dabei zur Effizienzverbesserung zusätzliche Maßnahmen getroffen werden wie z.B. der Einsatz von Parallelverdichtung (Economiser-System) und/oder Injektoren sowie Expander zur Rückgewinnung der Drosselverluste bei der Expansion des Kältemittels. Abgesehen davon gibt es Einsatzgebiete, bei denen der transkritische Prozess energetisch generell vorteilhaft ist. Dazu gehören z.B. Wärmepumpen für Brauchwasser- Erwärmung oder Trocknungsprozesse.
Bei den üblicherweise sehr hohen Temperaturgradienten zwischen Druckgaseintritt in den Gaskühler und Eintrittstemperatur der Wärmesenke kann eine sehr niedrige Gasaustrittstemperatur erreicht werden. Begünstigt wird dies durch den Verlauf des Temperaturgleit und die relativ hohe mittlere Temperaturdifferenz zwischen CO2-Dampf und Wärmeträger-Fluid. Die niedrige Gasaustrittstemperatur führt zu einer besonders hohen Enthalpiedifferenz und damit zu einer hohen System-Leistungszahl. Brauchwasser-Wärmepumpen kleinerer Leistung werden bereits in hohen Stückzahlen produziert und eingesetzt. Anlagen für mittlere bis größere Leistungen (z.B. Hotels, Schwimmbäder, Trocknungssysteme) müssen individuell geplant und ausgeführt werden. Deren Anzahl ist deshalb noch begrenzt, jedoch bei gutem Aufwärtstrend. Neben diesen spezifischen Anwendungen gibt es auch eine Reihe von Entwicklungen für die klassischen Bereiche der Kälte- und Klimatechnik. Hierzu gehören z.B. Supermarkt-Kälteanlagen. Inzwischen werden Anlagen mit Verdichtern im Parallelverbund bereits in größerem Umfang eingesetzt.
Es handelt sich dabei überwiegend um sog. Booster-Systeme, bei denen der Normal- und Tiefkühlkreislauf direkt (ohne Wärmeübertrager) miteinander verbunden ist. Die Betriebserfahrungen und dort ermittelten Energiekosten zeigen vielversprechende Ergebnisse. Allerdings liegen die Investitionskosten noch deutlich über klassischen Anlagen mit HFKWs und Direktverdampfung. Gründe für die günstigen Energiekosten liegen einerseits an den bereits weitgehend optimierten Komponenten und der Systemsteuerung sowie den zuvor beschriebenen Vorteilen hinsichtlich Wärmeübertragung und Druckabfall. Andererseits werden diese Anlagen bevorzugt in Klimazonen eingesetzt, die auf Grund des jahreszeitlichen Temperaturprofils sehr hohe Laufzeiten bei subkritischer Betriebsweise erlauben.
Zur weiteren Steigerung der Effizienz von CO2 Supermarktsystemen und bei deren Einsatz in wärmeren Klimazonen kommen auch zunehmend die zuvor beschriebenen Technologien mit Parallelverdichtung und/oder Injektoren zur Anwendung. Insofern, aber auch mit Blick auf die sehr anspruchsvolle Technik und die hohen Anforderungen an die Qualifikation von Planern und Service-Fachleuten, kann die CO -Technologie nicht pauschal als Ersatz 2 für Anlagen mit HFKW-Kältemitteln angesehen werden.
Resultierende Auslegungs- und Ausführungskriterien
Detaillierte Informationen hierzu würden den Rahmen dieser Informationsschrift sprengen. Jedenfalls unterscheiden sich Systemtechnik und -Steuerung wesentlich von üblichen Anlagen. Bereits mit Blick auf Drucklagen, Volumen- und Massenstromverhältnisse müssen speziell entwickelte Komponenten, Regelgeräte und Sicherheitseinrichtungen sowie entsprechend ausgelegte Rohrleitungen verwendet werden. Besonders anspruchsvoll ist die Verdichtertechnik. Die besonderen Anforderungen bedingen eine vollkommen eigenständige Konstruktion. Dies betrifft u.a. Design, Materialien (Berstsicherheit), Fördervolumen, Triebwerk, Auslegung der Arbeitsventile, Schmiersystem sowie Verdichter- und Motorkühlung. Die hohe thermische Belastung schränkt dabei den Einsatzbereich für einstufige Verdichtung stark ein. Tiefkühlung erfordert zweistufige Betriebsweise, wobei eine Aufteilung in getrennte Hoch- und Niederdruckverdichter bei Verbundsystemen besonders vorteilhaft ist.
Für die Schmierstoffe gelten in noch stärkerem Maße die zuvor im Zusammenhang mit subrkritischen Systemen beschriebenen Kriterien.
In verschiedenen Bereichen ist noch Entwicklungsaufwand erforderlich, transkritische CO2-Technologie kann noch nicht generell als Stand der Technik bezeichnet werden. Für transkritische CO2 Anwendungen bie- tet BITZER eine weitreichende Palette spezieller Verdichter an. Der Einsatz ist auf bestimmte Anwendungen ausgerichtet, individuelle Prüfung und Bewertung sind deshalb erforderlich.
CO2 in Kfz-Klimaanlagen
Im Rahmen der bereits seit längerem diskutierten Maßnahmen zur Reduzierung von direkten Kältemittel-Emissionen und dem in der EU bestehenden Verwendungsverbot von R134a in PKW-Klimaanlagen*, wird bereits seit Jahren die Entwicklung von CO2-Systemen sehr intensiv betrieben. Auf den ersten Blick erscheinen Effizienz und damit indirekte Emissionen von CO2- Systemen bei den typischen Umgebungsbedingungen vergleichweise ungünstig. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die aktuellen R134a-Systeme geringere Wirkungsgrade aufweisen als leistungsgleiche stationäre Anlagen. Gründe dafür liegen in den spezifischen Einbauverhältnissen und den relativ hohen Druckverlusten in Rohrleitungen und Wärmeübertragern. Bei CO2 hat der Druckabfall einen wesentlich geringeren Einfluss. Außerdem wird der Systemwirkungsgrad noch zusätzlich durch die hohen Wärmeübergangswerte in den Wärmeübertragern begünstigt.
Aus diesem Grund können mit optimierten CO2-Klimaanlagen in etwa vergleichbare Wirkungsgrade erreicht werden wie mit R134a. Mit Blick auf die üblichen Leckraten solcher Systeme ergibt sich dabei eine günstigere Bilanz hinsichtlich des TEWI. Aus heutiger Sicht ist keine Prognose darüber möglich, ob sich die CO2 Technologie in dieser Anwendung auf längere Sicht durchsetzen kann. Dies ist sicherlich auch von den Erfahrungen mit den von der Automobil-Industrie inzwischeneingeführten "LowGWP" Kältemitteln abhängig. Dabei werden u.a. Betriebssicherheit, Kosten und die weltweite Logistik eine gewichtige Rolle spielen.
Abb. 31 Beispiel für transkritisches CO2 Booster System
Mit freundlicher Freigabe von Bitzer Kühlmaschinenbau GmbH
Quelle: Bitzer Kältemittel Report 19